Ethnologie befasst sich damit, wie Menschen kollektiv die Welt erschaffen, in der sie leben und in der sie sich selbst erleben. So ist die Ethnologie zugleich die Wissenschaft der reichen Vielfalt menschlicher Natur und der Verschiedenheiten menschlichen Verhaltens. Als Ethnologin interessiert mich besonders die Frage, wie Körperlichkeit und Bewegung mit anderen Ausdrucksformen von „Kultur“ zusammenhängen. Dazu gehört die Art, wie Menschen anderen Menschen begegnen, wie sie ihren Körper benutzen und was sie damit ausdrücken. Dazu gehören kulturell vorgeprägte Haltungen, aber auch die große Vielfalt an Bewegungsmöglichkeiten und Bewegungseinschränkungen.
Je mehr ich reiste, desto mehr fand ich noch nicht erlebte und in ihrer Art immer wieder einzigartige Formen, wie Menschen sich bewegen, arbeiten, gehen, tanzen. Ich erlebte oft auch eine Art von Neid – einmal so die Hüften schwingen können! So frei in der Brustwirbelsäule und dem Brustkorb sind sie! Ich erlebte natürlich auch, wie stark harte Alltagsarbeit Menschen krank machen kann.
In der ethnologischen Forschung ist der Topos vom „edlen Wilden“, der sich natürlich und frei bewegt, unbeschädigt von unserer Zivilisation, längst verschwunden. Und doch entfacht die Begegnung mit naturnahen Kulturen die Faszination über die Verschiedenheit der Bewegungsmöglichkeiten, ihre mögliche Freiheit, Stimmigkeit und Anmut – jedenfalls bei mir. Und die Ahnung, welche Entwicklungsmöglichkeiten in jedem Menschen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen schlummern.
Ich kehrte von meiner letzten Feldforschung mit einem anfangs eher unbewussten, mir selbst vorgenommenen Projekt zurück, das in den Jahren danach immer mehr die Führung übernahm: Nicht nur in der Ferne mich immer wieder durch Anschauung von erlernten Denk-Begrenzungen zu befreien, wie ein Mensch leben kann. Ich wollte noch effektiver als bisher meine eigenen und in meinem Verständnis ja eigentlich unbegrenzten Möglichkeiten weiter zur Entfaltung bringen. Ich brauchte für dieses Projekt eine wirklich effektive Technik. Und ich suchte, aber nur noch manchmal auf weiten Reisen. Und dann fand ich die Feldenkraismethode der Selbstentwicklung.
Ich lade jeden, der möchte, ein, ein Forscher zu werden. Jeder ein Experte in eigener Sache. Ihr Erleben und Ihre Neugier bringen Sie mit, auch Ihr Reiseziel. Oder es findet sich beim Reisen – im Prinzip in alle Richtungen offen! Ich biete Ihnen dafür ein paar Dinge, die hilfreich sind, vor allem einen geschützten Rahmen und die Fokussierung auf ein Thema – eine ausgewählte Funktion, die mit unserem Alltag zusammenhängt, etwa: Drehen, Stehen, einen Arm strecken, etwas Aufheben, Aufstehen, Gehen oder Hüpfen. Jede Feldenkraisstunde besitzt den Aufbau eines kleinen Gebrauchskunstwerks, mit einem vorbereiteten Skript, das sich dem Geschehen in der Gruppe und den Möglichkeiten und Vorlieben jedes Einzelnen stetig anpasst.
Ihre Forschungsreise findet in der Regel im Liegen statt, mit Bewegungen im ungewohnten Verhältnis zur Schwerkraft. Meine Aufgabe ist, Ihre Wahrnehmung auf unterschiedliche Bereiche ihres Körpers und Ihres Erlebens zu lenken. Die grundlegende Handlungsfunktion, um die es geht, wird in einzelne Bestandteile aufgefächert und im intensiven Spüren miterlebt. Meine dialogisch formulierten Fragen unterstützen Sie dabei, nach und nach immer mehr Bewusstheit für das zu bekommen, was Sie tun, zum Beispiel: In welcher Qualität führen Sie die Bewegung aus, ist sie angestrengt oder leicht, fließend oder ruckhaft? Oder sind Unterschiede in ihren beiden Körperseiten wahrnehmbar, was kann die eine von der anderen lernen? Wo im Körper sind Resonanzen erlebbar? Welche Bewegungsbeziehungen sind spürbar?
Ich ermuntere Sie immer wieder dafür wach zu werden, wie viel mehr Sie spüren können, wenn Sie mit kleinen, langsamen Bewegungen beginnen und in ihren eigenen Raum und Rahmen von Mühelosigkeit und Leichtigkeit erkunden. Ich helfe Ihnen zu sehen, dass Lernen in diesem Raum am leichtesten stattfindet und sich die Grenzen des Raumes von alleine erweitern. Dies überrascht immer wieder. Bei den vielen Wiederholungen einzelner Bewegungen, die für das Lernen wichtig sind, rege ich zu einem Ausprobieren immer neuer Arten und Weisen an, damit Variationsvielfalt entsteht. Auch dies fördert Ihr Lernen. Ich erlebe mit, wie Sie immer aufmerksamer dafür werden, wie eine Bewegung auch andere Bereiche ihres Körpers einbezieht. Wie die Wahrnehmung des Bodens ihr Gefühl von Sich-Unterstützt-Fühlen beim Bewegen und wie Ihr Atem die gute Qualität einer Bewegung fördert. Ich lade Sie ein, ihr Spüren jeweils für einzelne Körperregionen zu verfeinern. Dabei gibt es oft Überraschungen – wenn etwa Verbindungen von der Spannung im Kiefer und der Beweglichkeit im Becken erlebt werden.
Jede weitere Variante, eine vorgeschlagene oder eigenständig entwickelte, eröffnet Ihnen neue Eindrücke, was Sie als passend oder unpassend wahrnehmen. In freier und selbstbestimmter Weise und in Ihrer eigenen Geschwindigkeit vollzieht sich, oft unvorhersehbar, ein ganz individueller Lernprozess. Sie genießen die Freiheit, meinen Vorschlägen zu folgen oder Pause zu machen, wann immer Sie möchten. Und immer wieder lade ich zu Verweilpausen im Bewegen ein, damit vertieftes Lernen stattfinden kann.
Feldenkrais ist noch viel stärker als die Ethnologie eine Methode, eigenes Geprägtsein aufzuspüren und zu verändern, durch Fragen, Forschen und Experimentieren.
In aller Regel finden Menschen zu dieser Methode, wenn sie Schmerzen und Einschränkungen erleben und sich leichter und gesünder bewegen möchten. Und viele finden dabei zu mehr Lebensfreude und mehr Genießen von Körperbewusstheit. Dazu gehört eine Schulung der fokussierten Aufmerksamkeit für körperliche Empfindungen und ein bewussteres, ganz individuelles, Aufspüren möglicher Bewegungen. Abstrakte und manchmal irrtümliche Ideen über Teile des eigenen Körpers, ihren Ort und ihre Beweglichkeit werden konkret. Ganz im Nebenbei entstehen dabei in der Regel zunehmende körperliche, emotionale, geistige Ruhe und Ausgeglichenheit.
Ihren Namen hat die Bewegungs- und Lernmethode von ihrem Begründer Dr. Moshé Feldenkrais. Ihre Wirkung beruht auf der Förderung differenzierter Körperwahrnehmung und optimierter Bewegungskoordination. Menschen erfahren in diesem Lernprozess, wie sie im Kontext von Körper und Bewegung ihr eigenes Wohlbefinden verbessern und heilsame Entwicklungen in ihrem gesamten Körper anregen und unterstützen können.
Von den verbesserten Bewegungsabläufen profitieren auch gesunde Menschen. Eine Erweiterung der Bewegungsvielfalt reduziert die Wahrscheinlichkeit einseitiger Überlastung von Gelenken, Sehnen, Faszien und Muskeln.
Menschen mit strukturellen oder funktionalen Beeinträchtigungen hilft die Methode, Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit als freudvoll zu erleben und neben den Belastungen und Einschränkungen mehr Aufmerksamkeit auf verbliebene und neue Möglichkeiten zu richten.
Unabhängig von der Ursache von Schmerzen oder Verspannungen kann es sein, dass Selbstheilungskräfte nicht ausreichen und die durch Selbstschutz entstandenen steifen oder unflexiblen Bewegungen in einzelnen Bereichen des Körpers bestehen bleiben. Häufig entwickeln sich im Bemühen, eine eingeschränkte Beweglichkeit auszugleichen, dysfunktionale Hilfsbewegungen, Schonhaltungen und uneffektive Kompensationsbewegungen. Einzelne Bewegungen werden anstrengend, man kann sie nur mit großer Willenskraft ausführen oder man meidet sie ganz, was oft noch weitere Verspannungen und Schmerzen mit sich bringt. Hier ist Feldenkrais eine sinnvolle Ergänzung einer ganzheitlich orientierten Zusammenstellung von Therapien und wirkt zudem präventiv.
Da Feldenkrais auf weiche, feine, flüssige Bewegungen und das Zusammenwirken aller Körperteile achtet, kann der Kreislauf aus Sorge, Angst oder Schmerz unterbrochen werden. Zuversicht und Selbstvertrauen können zunehmen. Verlorene neuronale Verbindungen werden wieder hergestellt, Bewegungsmuster in Erinnerung gerufen oder neu erlernt, die der natürlichen Variationsbreite und Weisheit des Körpers angepasst sind. Entspannung und ein Gefühl für den gesunden Wechsel von Entspannung und Anspannung stellen sich ein. Die harmonischen und variationsreichen fließenden Bewegungen sind zudem eine Art sanftes und ökonomisches Krafttraining und führen zu einer insgesamt verbesserten Kontrolle über den eigenen Körper. Überflüssige tägliche Anstrengungen in einzelnen Bereichen können besser gespürt und reduziert werden. Alltägliche Bewegungen können schmerzfreier, leichter und anmutiger ausgeführt werden, und Balance und Stabilität verbessern sich, ebenso wie die natürlich angelegte Beweglichkeit, ohne die Balance und Stabilität nicht funktionieren. Der Körper fühlt sich leichter und agiler an, die Bewegungen geschmeidiger, und neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten eröffnen sich. Die Feldenkraismethode hilft der körpereigenen Intelligenz in jedem Einzelnen, mit Schwierigkeiten und Anforderungen spielerischer und anpassungsfähiger umzugehen. Sie setzt Selbsterkenntnis und -entwicklung in Gang und befähigt jeden, im Einklang mit seiner Art und Weise und seinen Möglichkeiten gesünder zu leben.
In der Feldenkraisstunde begeben Sie sich auf eine Forschungsreise, bei der Bewegungsabläufe und die Qualität, mit der sie ausgeführt werden, erkundet werden. Eine Reise, bei der Sie sich mit Ihrem Körper bewusst verbinden. Eine Reise, bei der Sie entdecken, wie Sie etwas gewohnheitsmäßig tun und neugierig werden auf Alternativen.
Jede einzelne Gruppenstunde fördert kleinere oder umfangreiche Entdeckungen zutage. Verbunden sind damit, oft unabhängig von den konkreten Problemen, freudvolle Erfolgs- und Selbstwirksamkeitserlebnisse. Es entsteht ein Spielraum des achtsamen und geduldigen Erprobens, in dem mit Bekanntem und Neuem experimentiert werden kann. Das Bekannte wird immer besser und detaillierter erkannt und verfeinert, integriert und differenziert; Alternativen ergeben sich zufällig aus dem Spielen als Variationen des Vertrauten oder werden auf meine Anregungen hin probiert, wieder verworfen oder als bereichernde neue Möglichkeit aufgenommen. Gibt es eine Beteiligung im Becken, wenn Sie den Kopf drehen oder das Schulterblatt nach hinten bewegen? Was geschieht im Brustkorb, wenn Sie den Kopf heben? Bis wie weit in der Wirbelsäule nach oben können Sie spüren, dass Sie die Hüfte anheben? Welche Muskeln könnten etwas weniger arbeiten? Und welche tragen zur Bewegung nichts bei und könnten sich ganz entspannen?
Sie bleiben dabei die Expertin/der Experte. Meine Aufgabe ist, Ihnen Hilfestellungen für das Spüren anzubieten und immer wieder zu motivieren, Ihre Aufmerksamkeit gezielt auszurichten und neue Möglichkeiten zu erproben. Und obwohl ich es immer wieder erlebe, bin ich jedes Mal verwundert, wie schnell sich Gewohnheiten zum Leichteren und Angenehmeren hin ändern, wenn in einer lernfreundlichen entspannten Atmosphäre ein konzentrierter Zugang zum genauen Spüren eröffnet wird. Und wie aus den kleinen Veränderungen große werden können: Mehr Freude am eigenen Körper, im Alltag mehr Neugier auf alternative Handlungsmöglichkeiten, ein zentrierteres Körperempfinden und von dort mehr Wohlwollen mit uns selbst und anderen.